Co-Abhängigkeit bei Sucht: Anzeichen & Tipps (2023)

Kurzübersicht

  • Definition: Co-Abhängigkeit betrifft Angehörigen von Suchterkrankten, deren Leben überschattet und mit der Sucht verstrickt ist. Sie entwickeln Strategien im Umgang mit der Erkrankung, die ihnen selbst schaden.
  • Was tun? Die Sucht nicht unterstützen, sondern dem Betroffenen beim Ausstieg helfen, auch Verantwortung für sich selbst übernehmen und sich selbst Hilfe suchen.
  • Tipps zum Umgang mit Suchtkranken: Auf die Sucht ansprechen, bei sich bleiben, auf Vorwürfe verzichten, Hilfsbereitschaft signalisieren, aber keine Suchtunterstützung, konsequent bleiben.
  • Anzeichen von Co-Abhängigkeit: Zurückstellen eigener Bedürfnisse, Vertuschen der Erkrankung, Übernahme von Aufgaben des Suchtkranken, Versuch, den Konsum zu kontrollieren und zu verhindern, Scham- und Schuldgefühle
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Was ist Co-Abhängigkeit?

Co-Abhängigkeit bedeutet, dass eine Person in die Suchterkrankung eines nahestehenden Menschen verstrickt ist. Die Sucht des Gegenübers wird oft zum alles beherrschenden Thema – der Co-Abhängige selbst tritt dabei in den Hintergrund. Er entwickelt Strategien im Umgang mit der Erkrankung des Süchtigen, die ihm selbst schadet.

Das kann auf vielfältige Weise geschehen – etwa indem der Co-Abhängige den Suchtkranken vor den Folgen seiner Sucht zu beschützen versucht, was das Suchtverhalten unbeabsichtigt stabilisiert. Aber auch indem er den Suchtkranken kontrolliert und versucht, ihn mit aller Macht vom Konsum abzuhalten. In jedem Fall wird ein Co-Abhängiger so zum Mitgefangenen der Sucht.

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Wege aus der Co-Abhängigkeit

Sich aus der Co-Abhängigkeit zu lösen, ist nicht leicht. Gerade loyale und zugewandte Menschen kämpfen schnell mit Schuldgefühlen, den Patienten im Stich zu lassen. Doch sich aus der Co-Abhängigkeit zu befreien, muss nicht zwangsläufig bedeuten, den Suchtkranken aufzugeben und fallenzulassen.

Folgende Maßnahmen helfen Ihnen aus der Co-Abhängigkeit:

Akzeptieren Sie die Krankheit

Sucht ist eine Krankheit. Sie lässt sich nur überwinden, wenn der Betroffene selbst akzeptiert, krank zu sein, und sein Leidensdruck groß genug ist, den Kampf mit der Abhängigkeit aufzunehmen. Dabei können Sie ihn unterstützen, Sie können es ihm aber nicht abnehmen. Der erste Schritt ist, dass Sie selbst anerkennen, dass der Betroffene suchtkrank ist.

Hören Sie auf, Ihren Angehörigen zu beschützen

Zeigen Sie Bereitschaft, den Patienten auf seinem Weg aus der Sucht zu helfen. Machen Sie aber klar, dass Sie ihn in seiner Sucht nicht weiter unterstützen. Wenn Sie ihn vor den Folgen seiner Sucht beschützen, verhindern Sie, dass er sich Hilfe sucht. Sie verlängern den Krankheitsprozess auf diese Weise nur.

Suchen Sie sich Hilfe

Suchen Sie sich Hilfe, um sich aus der Co-Abhängigkeit zu befreien. Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle und nehmen Sie die Unterstützung einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Suchtkranken in Anspruch.

Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr eigenes Leben

Lassen Sie die Sucht Ihres Angehörigen nicht zu ihrem Lebensmittelpunkt werden. Übernehmen Sie Verantwortung für sich selbst, nicht für den Suchtkranken. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen, nabeln Sie sich ab.

Möglicherweise wird mit Ihrer zunehmenden Unabhängigkeit beim Suchtkranken die Sorge, Sie zu verlieren, sogar dazu beitragen, dass er sich Hilfe sucht. Diese Hoffnung sollte allerdings nicht das Hauptmotiv Ihrer Abnabelung sein.

Verabschieden Sie sich von Schuldgefühlen

Auch wenn in Ihrer Beziehung nicht alles glatt gelaufen ist: Sie haben keine Verantwortung für die Suchterkrankung Ihres Angehörigen.

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Tipps zum Umgang mit Sucht

Suchterkrankungen sind ein Tabu. Das Thema anzusprechen, fällt darum schwer. Man fürchtet, den anderen zu beschämen, zu Unrecht zu verdächtigen und zu kränken. Und tatsächlich regieren Menschen, deren Konsum von Rauschmitteln problematisch ist, oft ablehnend und dünnhäutig.

Nichts tun und Wegschauen ist dennoch keine gute Option. Von allein wird sich das Problem nicht lösen. Nur wenn jemand den Betroffenen den Spiegel vorhält, erhält er einen Impuls, sich mit dem Problem zu befassen.

  • Seien Sie mutig: Sprechen Sie es an, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Freund, Kollege, Elternteil oder Partner zu viel konsumiert oder suchtproblematische Verhaltensweisen entwickelt.
  • Bleiben Sie bei sich: Beschreiben Sie dem Suchtkranken, wie der Konsum oder das Suchtverhalten auf Sie wirkt und wie es Ihnen damit geht.
  • Verzichten Sie auf Vorwürfe und Belehrungen: Ein suchtkranker Mensch wird diese nur abblocken. Sucht ist eine Krankheit, deren Überwindung viel Zeit und Kraft braucht.
  • Signalisieren Sie, dass Sie ihm bei seinem Weg aus der Sucht helfen werden. Machen Sie aber unmissverständlich klar, dass Sie ihn nicht (weiter) in seiner Sucht unterstützen.
  • Erwarten Sie nicht zu viel: Erhoffen Sie von einem Gespräch keine unmittelbare Besserung. Ihre ehrliche Rückmeldung kann aber dazu beitragen, dass der Betroffene sich mit seinem Problem auseinandersetzt.
  • Seien Sie konsequent.
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Wie äußert sich Co-Abhängigkeit?

Co-Abhängigkeit hat viele Gesichter. Steht zu Beginn noch im Vordergrund, das Verhalten des Suchtkranken zu entschuldigen und diesen zu beschützen, folgt oft eine Kontrollphase. In dieser versucht der Co-Abhängige, den Kranken am Drogenkonsum oder Suchtverhalten zu hindern – meist erfolglos. Sein Scheitern mündet in Wut oder Resignation und schlägt dann häufig in Schuldzuweisungen, Drohungen und Ablehnung um. Diese einzelnen Phasen können, müssen aber nicht aufeinanderfolgen.

Beschützen

Ein erster Impuls ist meist, den Suchtkranken vor den Folgen seines Konsums zu schützen. Man entschuldigt zum Beispiel einen Alkoholiker beim Arbeitgeber als an Grippe erkrankt, obwohl dieser eigentlich stark verkatert ist.

Viele Co-Abhängige übernehmen auch Aufgaben, die der Abhängige selbst nicht mehr erledigen kann – Kinder alkoholkranker Mütterkümmern sich um ihre kleinen Geschwister, die Eltern bezahlen die Schulden ihres suchtkranken Kindes, die Frau beseitigt die Verwüstungen, die ihr Partner im Rausch angerichtet hat, Kollegen nehmen dem Alkoholiker Arbeit ab, die dieser nicht bewältigt.

Verbergen

Hinzu kommt die Scham – Sucht ist eine Erkrankung, die stark stigmatisiert ist. Auch im Freundes- und weiteren Familienkreis wird das Problem heruntergespielt und verheimlicht. Der Co-Abhängige schämt sich für die Alkoholabhängigkeit oder die Spielsucht oder das ständige Bekifftsein des Partners, der Tochter, der Mutter.

Entschuldigen

Ebenfalls verbreitet ist, dass Co-Abhängige die Sucht entschuldigen. Stress, eine schwere Kindheit, ein Job-Verlust – lauter Gründe, warum der Suchtkranke ohne das Suchtmittel nicht zurechtkommen kann. Das kann so weit gehen, dass Co-Abhängige den Abhängigen mit seinem Suchtmittel versorgen.

Ob Beschützen, Verbergen oder Entschuldigen - die vermeintliche Hilfe verschlimmert das Problem. Da der Suchtkranke die vollen Auswirkungen seiner Krankheit nicht zu spüren bekommt, bleibt der Leidensdruck erträglich. Das hat zur Folge, dass er das Ausmaß seiner Erkrankung verdrängen kann. Der Betroffene wird sich keine Hilfe suchen und weitermachen wie bisher. So schwer es auch fällt: Nicht zu helfen hilft Suchtkranken langfristig mehr.

Kontrollieren

Eine andere Strategie von vermeintlicher Hilfe ist der Versuch, den Suchtmittelkonsum durch Kontrolle zu unterbinden. Viele Co-Abhängige schütten den Alkohol weg, kontrollieren den Atem und die Taschen des Suchtkranken, versuchen ihn engmaschig zu überwachen. Allerdings ist auch diese Strategie zum Scheitern verurteilt. Der Suchtkranke wird nur immer raffiniertere Wege finden, sein Suchtmittel zu konsumieren und den Konsum zu leugnen und zu verheimlichen.

Anklagen

Auch eine Konfrontation bewirkt meist wenig. Der Suchtkranke wird durch Vorwürfe in eine Verteidigungsrolle gedrängt, macht Versprechungen, sich zu bessern, und bricht diese Versprechen immer wieder. Auf die Enttäuschung folgen erneute Anschuldigungen: ein Teufelskreis.

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Folgen von Co-Abhängigkeit

Die Folgen von Co-Abhängigkeit sind gravierend. Die Lebensqualität, die durch den engen Kontakt mit einem Suchtkranken ohnehin leidet, wird dadurch zusätzlich verstärkt. Das Leben des Co-Abhängigen dreht sich im Wesentlichen um die Suchterkrankung, eigene Bedürfnisse werden vernachlässigt. Heimlichkeit und Scham überschatten das Leben. Der Co-Abhängige befindet sich in einem zermürbenden Wechselbad aus Liebe und Hoffnung, Enttäuschung, Wut und Abscheu.

Zur Angst vor dem nächsten Exzess kommen finanzielle Sorgen, wenn der Suchtkranke zu viel Geld für Alkohol, Drogen oder Glückspiel ausgibt – vor allem, wenn er als Hauptverdiener aufgrund seiner Sucht die Arbeit verliert. Zur psychischen Überlastung kommt die Belastung durch Aufgaben, die der Co-Abhängige dem Suchtkranken abnehmen muss.

Co-Abhängigkeit macht krank

Nicht selten wird eine Co-Abhängiger selbst krank. Er treibt Raubbau mit seinen Kräften und vernachlässigt seine Gesundheit. Erschöpfung und Verzweiflung fördern psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen oder Herzbeschwerden und können in eine Depression, Essstörung oder auch eine eigene Suchterkrankung münden.

Besonders gravierend sind die Folgen, wenn Suchtkranke im berauschten Zustand zu Gewalttätigkeit oder auch sexuellen Übergriffen neigen.

Kinder sind Opfer

Am meisten leiden Kinder von Alkoholkranken und anderen Suchtpatienten. Sie übernehmen Aufgaben, denen sie eigentlich noch nicht gewachsen sind, leben in einem Umfeld, das von Ängsten und Sorgen geprägt wird. Die Angst vor dem nächsten Exzess des suchtkranken Elternteiles überschattet das Leben. Hinzu kommen die Scham und die Heimlichkeit – sie können mit niemandem über ihre Situation reden, Freunde können nicht mit nach Hause gebracht werden aus Angst, dass die Suchterkrankung publik wird.

Für Kinder besonders desaströs ist, dass eine der ersten und wichtigsten Beziehungen im Leben zerrüttet wird: die zu den eigenen Eltern. Geborgenheit, Zuwendung, Unterstützung bleiben auf der Strecke. Das Vertrauen in die Eltern wird immer wieder enttäuscht. Solche Erfahrungen können fürs Leben prägen und zukünftige Beziehungen unterminieren.

Nicht selten setzt sich das, was sie als Kinder gelernt haben, im Erwachsenenleben fort: 60 Prozent der Frauen, die mit einem suchtkranken Partner zusammenleben, sind ein einem Haushalt mit einem suchtkranken Elternteil aufgewachsen.

Ist ein Elternteil schwer suchtkrank, ist es oft nötig, die Kinder aus dem Bannkreis der Sucht herauszuholen, beispielweise indem das gesunde Elternteil den Kindern zuliebe mit diesen aus der gemeinsamen Wohnung auszieht.

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Wer ist gefährdet?

Vor allem Frauen laufen Gefahr, co-abhängig zu werden – sie stellen 90 Prozent der Betroffenen. Teilweise lässt sich das damit erklären, dass Suchterkrankungen häufiger Männer betreffen.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass es noch immer zum Rollenbild der Frau gehört, sich aufzuopfern und eine Beziehung zusammenzuhalten. In der Selbst- und Fremdwahrnehmung lässt eine Frau ihren alkoholsüchtigen Partner „im Stich“, wenn sie ihn verlässt. Einem Mann dagegen ist gesellschaftlich gesehen eine suchtkranke Partnerin „nicht zuzumuten“.

Besonders gefährdet sind zudem Menschen, die in Familien mit suchtkranken Elternteilen aufwachsen. Grundsätzlich sind auch Familien problematisch, in denen Probleme unter den Teppich gekehrt werden.

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Co-Abhängigkeit: Therapie

Bei einer ausgeprägten Co-Abhängigkeit kann eine Psychotherapie notwendig werden. Ziel ist es, den Betroffenen wieder zu sich selbst zurückzuführen. Er lernt, sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse wieder wahrzunehmen und in den Mittelpunkt zu stellen und Schuldgefühle abzulegen. Ziel ist, gesunden Distanz aufzubauen.

In dem Maße, in dem der Co-Abhängige sich aus der Verstrickung löst, schwindet auch das bedrückende Gefühl der Ohnmacht. Er kann wieder etwas tun – nämlich für sich selbst – und gewinnt die Kontrolle über das eigene Leben zurück.

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Author: Horacio Brakus JD

Last Updated: 12/16/2022

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